Kirche St. Aegidien

Der Mainzer Erzbischof Siegfried II verlieh im Jahre 1227 Heiligenstadt die Stadtrechte. Die Kirche St. Aegidien und damit auch die Pfarrgemeinde entstanden nach der Stadtgründung für den neuen Stadtteil „Die Neustadt“.

Neben der Stiftskirche St. Martin und der Pfarrkirche St. Marien war St. Aegidien die dritte gotische Kirche in der Stadt. Sie entstand wohl in der jetzigen Form nach dem großen Stadtbrand im Jahre 1333. Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder Veränderungen außen und innen an der Kirche vorgenommen. So wurde der jetzige Turm 1850/51 zum 1400 - jährigen Jubiläum der Stadtpatrone Aureus und Justinus fertiggestellt. Die Reliquien von Aureus und Justinus werden im Zelebrationsaltar sichtbar aufbewahrt.

Das Zentrum und erster Blickfang der Kirche bildet der Chorraum mit dem barocken Hochaltar. Dieser wurde um 1698 für die Schlosskirche zu Quedlinburg geschaffen. 1944 wurde er dann unter kriegsbedingten Widrigkeiten nach Heiligenstadt gebracht und durch die tatkräftige Mithilfe der Pfarrgemeinde in zweiundzwanzig Wochen aufgebaut. Propst Bolte weihte am 1. September 1944 feierlich den Hochaltar ein.

Der Altar gliedert sich in vier Ebenen. In der untersten Ebene befindet sich der Tabernakel. Unmittelbar darüber sehen wir Christus mit dem Strahlenkranz, zu seiner linken Seite Paulus mit dem Schwert und zu seiner rechten Petrus mit dem Schlüssel. Die dritte Ebene stellt im Zentrum Maria und Johannes unter dem Kreuz dar. In der vierten Ebene sehen wir den Auferstandenen, sowie rechts und links von ihm zwei zurückschreckende Grabwächter. Besonders eindrucksvoll stellt sich diese Szene durch den Lichteinfall des 1998 wiedereröffneten Chorraumfensters dar. Die Verglasung dieses Fensters von 1884 zeigt eine Herz-Jesu-Darstellung zwischen den Kirchenpatronen Aegidius und Jakobus sowie den Stadtpatronen Aureus und Justinus.

Im nördlichen Seitenschiff befindet sich der Vierzehn-Nothelfer-Altar aus dem Jahre 1638. Stifter war die Familie von Zwehl aus Dank für die Errettung des Stadtschultheißen Johannes Zwehl vor den Schweden im dreißigjährigen Krieg. Vor diesen hatte er sich im Obergeschoß der Annen-Kapelle bei St. Marien versteckt. Der Altar baut sich dreigeschossig auf. Apostel und andere Heilige tragen das Gebälk. Dazwischen flankieren die vierzehn Nothelfer die Darstellungen der Anbetung der Könige, Anna selbdritt und eine Madonna im Strahlenkranz. Die lateinische Inschrift  lautet: „Johannes Zwehl und Gattin Apollonia ließen es machen im Jahre Christi 1638. Bete Gott an, ehre die Heiligen, ahme den Göttlichen nach, gehorche der Kirche.". Sie und ihr Enkel sind vor dem Altar beerdigt.

Weitere Sehenswürdigkeiten in der Kirche sind das Taufbecken aus dem Jahre 1507 vor dem Vierzehn-Nothelferaltar, im südlichen Seitenschiff der spätgotische Flügelaltar der Anna selbdritt, die barocke Kanzel mit den 4 Evangelisten, im Altarraum die Plastik der Stadtpatrone Aureus und Justinus (1802 aus St. Martin nach St. Aegidien gekommen), die Strahlenmadonna, die Kreuzigungsgruppe am Pfeiler neben dem Ambo sowie ein Schrein ugandischer Märtyrer an der südlichen Chorwand. Der Kreuzweg wurde Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffen. Die Kirchenbänke mit den geschnitzten Wangen wurden um 1850 bis 1860 von einheimischen Handwerkern gefertigt. Zum Besitz der Aegidienkirche gehören die Zunftstangen der Heiligenstädter Handwerker aus der Barockzeit. Sie sind in der Nordwestecke der Kirche aufgereiht.

Die Fenster wurden durch den Dipl. Glasgestalter Günter Grohs aus Wernigerode entworfen und in der Firma Glaswerkstätten F. Schneemelcher in Quedlinburg hergestellt. Der Einbau erfolgte 1998. Bei der Renovierung in 2002 wurden der Fußboden und die Technik erneuert. Es wurden eigens neue Lampen für die Kirche gefertigt. Die Ausmalung wurde von einer Künstlerin in Absprache mit der Gemeinde vorgenommen. Gleichzeitig wurde auch der Glockenstuhl erneuert und eine 5. Glocke angeschafft. Der Klang der Glocken ergibt ein aufeinander abgestimmtes Klangbild. Die Statik und das Aussehen der Empore musste im Hinblick der Renovierung der Klaisorgel von 1908 auch mit verändert werden. Die Wiedereinweihung der Orgel 2004 bildete den Abschluss der Renovierung.

Im Außenbereich der Kirche befindet sich seit dem Mittelalter die Maria-Hilf-Kapelle, am Ostgiebel ein Kreuz und in der Nordwestecke des Kirchplatzes ist der Priesterfriedhof mit Kreuz. Das Gemeindehaus wurde 2015/16 mit Anbindung an das Pfarrhaus neu gebaut und der Kirchplatz in 2017 neu gestaltet.

Seit 2017 ist die Pfarrei St. Aegidien Kirchort der Kath. Kirchengemeinde St. Marien Heiligenstadt.

Maria-Hilf-Kapelle

Der kleine achtseitige Bau steht nahe des Ostchores der Kirche und wurde 1860/61 errichtet. An dieser Stelle stand bereits im Mittelalter eine Kapelle, die Sammelpunkt für Hilfsbedürftige und Notleidende der Stadt war. Von Maria der Gottesmutter erhoffte man sich Hilfe in elementaren Nöten und Gebetserhörungen.

Der Überlieferung zufolge gelobten die Heiligenstädter 1405 eine Spende für die Armen nach einem überstandenen, heftigen Unwetter. Die Bewohner spendeten Lebensmittel, die an der Kapelle durch den Pfarrer der Aegidienkirche verteilt wurden. Dieses Gelübde der Armen- oder Hagelspende wurde bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfüllt. In Anlehnung an diese einstige Lebensmittelausgabe hält heute die Marienfigur über dem Portal ein Brot in der Hand: Maria als Gebende.

Das Innere der Kapelle schmückt ein Marienbildnis aus dem 15. Jahrhundert. Vor dieser Statue der Gottesmutter mit ihrem Sohn zünden viele Gläubige Kerzen an und verweilen zum Gebet. Vermutlich ist die Marienkapelle deshalb der am meisten besuchte sakrale Ort der Stadt.